Zusammenhänge zwischen verschiedenen Ebenen der Religiositätserfassung und Persönlichkeitsmerkmalen

Mirjam Bartlog (2003). Zusammenhänge zwischen verschiedenen Ebenen der Religiositätserfassung und Persönlichkeitsmerkmalen. (Universität Trier: Unveröffentlichte Diplomarbeit)

Zusammengefasst von Simone Schmit:

Für diese Diplomarbeit wurden die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und verschiedenen Religiositätsebenen untersucht. Die verschiedenen Religiositätsebenen sind:

  • Die explizite (institutionelle Religiosität, Spiritualität)
  • Die persönliche (‚intuitiv‘ zugeschriebene Religiosität, wie auch immer definiert)
  • Und die implizite Ebenen (‚weltliche‘ Religiosität)

Als Persönlichkeitsmerkmale wurden die Big Five, erfasst mit dem NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf), sowie die Charakter-Skalen des TCI (Cloninger) verwendet:

Big Five (NEO-FFI)

  1. Neurotizismus (Nervosität, Ängstlichkeit, Traurigkeit, Unsicherheit, Sorgen um die eigene Gesundheit, unrealistische Ideen,…),
  2. Extraversion (Geselligkeit, Aktivität, Personenorientierung, Optimismus,…),
  3. Offenheit für Erfahrung (Wissbegier, Kreativität, Phantasie, kulturelle Interessen),
  4. Verträglichkeit (Altruismus, Mitgefühl, Verständnis, Wohlwollen, Kooperativität,…) und
  5. Gewissenhaftigkeit (Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit, Disziplin, Ehrgeiz, Genauigkeit,…).

Charakter-Skalen (TCI)

  • Selbstlenkungsfähigkeit (Verantwortlichkeit, Einfallsreichtum, Zielorientiertheit, Selbstakzeptanz)
  • Kooperativität (Hilfsbereitschaft, Gewissen, Mitleid, Einfühlungsvermögen, soziale Akzeptanz)
  • Selbsttranszendenz (Phantasie, Spiritualität, mystische Erfahrungen)

Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet das in der Religionspsychologie sehr neue Konzept der impliziten Religiosität von Schnell. Viele interessante Ergebnisse gingen aus dieser Studie hervor. Folgend werde ich einige dieser Ergebnisse aufzählen:

Wie unterscheiden sich explizit Religiöse von nicht explizit Religiösen bzgl. ihrer Persönlichkeitseigenschaften?

  • Explizit Religiöse wiesen eine signifikant höhere Verträglichkeit auf als die Gruppe der nicht explizit Religiösen.
  • Explizit Religiöse wiesen mehr Neurotizismus auf als nicht explizit Religiöse.
  • Bezüglich Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Offenheit für Erfahrung konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen der Gruppe der nicht explizit Religiösen und der Gruppe der explizit Religiösen gefunden werden.
  • Explizit Religiöse weisen eine signifikant höhere Kooperativität auf als nicht explizit Religiöse.
  • Zudem haben explizit Religiöse signifikant höhere Werte auf der Skala Selbsttranszendenz, was der Annahme der Autoren des TCI entspricht, dass Selbsttranszendenz mit Gefühlen mystischer Teilnahme und religiösen Glaubens zusammenhängt.
  • Die Selbstlenkungsfähigkeit hingegen ist bei explizit Religiösen niedriger ausgeprägt als bei nicht explizit Religiösen.

Persönliche Religiosität bzw. das Empfinden, sich einer individuell definierten Religiosität verbunden fühlen, scheint besonders stark mit Gefühlen mystischer Teilnahme und Gefühlen des Verbundenseins mit dem Universum assoziiert zu sein (Skala Selbsttranszendenz). Hier könnte man vermuten dass der religiöse Glaube gerade dann zu etwas „Persönlichem“ und „Individuellem“ wird, wenn bestimmte transzendente Erlebnisqualitäten erfahren worden sind.

Es hat sich gezeigt, dass es Unterschiede bezüglich der Persönlichkeit von Individuen gibt, wenn man Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Religiosität auf verschiedenen Religiositätsebenen untersucht. Entscheidend dafür, welche Zusammenhänge gefunden werden, sind demnach Religiositätsdefinitionen und diesbezügliche Einteilungskriterien. Dass persönliche und implizite Religiosität im Gegensatz zu institutioneller und expliziter Religiosität immer wichtiger werden, wird angesichts der allgemein beobachtbaren gesellschaftlichen Veränderung deutlich.

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