Sinn mit und ohne Gott

Nelson, T. A., Abeyta, A. A., & Routledge, C. (2021). What makes life meaningful for theists and atheists?. Psychology of Religion and Spirituality13(1), 111.

Der Sinn im Leben (Meaning in Life) ist etwas Individuelles, das Personen häufig sehr unterschiedlich beschreiben. Genau damit beschäftigt sich die Untersuchung von Nelson, Abeyta und Routledge von 2021. Der Sinn im Leben wird als subjektives Erleben von Sinn (Purpose; Ziele und eine Richtung zu haben), Bedeutung (Significance; in welchem Ausmaß das individuelle Leben einen Wert und eine Bedeutung hat) und Kohärenz (Coherence; Struktur im Leben) beschrieben. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Sinn im Leben einen wichtigen Zusammenhang mit psychischem und physischem Wohlbefinden aufweist und sogar mit einem geringeren Sterberisiko in Verbindung steht. Ein fehlender Sinn steht hingegen in Zusammenhang mit Depression, Angst, suizidalen Ideen und Substanzmissbrauch. Einige Studien haben ergeben, dass vor allem Personen, welche sich als atheistisch bezeichneten, weniger Lebenssinn berichteten, gleichzeitig jedoch auch andere Quellen als Ursprung für ihr Sinnerleben angaben als Personen, die sich als theistisch bezeichneten.

Die Studie von Nelson, Abeyta und Routledge (2021) versucht nun einmal neu herauszufinden, was Menschen mit verschiedenen Weltanschauungen als sinnstiftend erleben. Dafür haben sie 404 Personen (n=226 weiblich, n=178 männlich; n=217 atheistisch, n=187 theistisch) gebeten, in einem offenen Antwortformat anzugeben, was ihr Leben sinnvoll erscheinen lässt. Zusätzlich sollten sie anschließend Fragebögen beantworten, die das Ausmaß des Vorhandenseins von Lebenssinn (Presence of Meaning), der Suche nach Lebenssinn (Search for Meaning) und des Bedürfnisses nach Lebenssinn (Need for Meaning) ermittelten. Die Antworten auf die offenen Fragen wurden getrennt für Atheist:innen und Theist:innen und separat für Männer und Frauen ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigten, dass theistische im Vergleich zu atheistischen Personen höhere Werte für das Vorhandensein von Lebenssinn und für das Bedürfnis nach Lebenssinn angaben. Hinsichtlich der Suche nach einem Sinn im Leben konnte kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen gefunden werden. Über alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hinweg wurde als häufigste Sinnquelle soziale Beziehungen angegeben. Theistische Personen berichteten im Vergleich zu atheistischen Personen häufiger, dass Religion, Erziehung (Parenting), und Beziehungen (Relationships) eine Quelle für deren Sinn im Leben seien. Im Gegensatz dazu gaben atheistische Personen verglichen mit theistischen Personen häufiger an keinen Sinn im Leben zu haben oder nannten verschiedenste andere Quellen. Diese waren jedoch so spezifisch, dass sie nicht einheitlich zusammengefasst werden konnten und daher als „andere“ (other) kategorisiert wurden. Im Hinblick auf die Geschlechter ergab sich, dass Frauen im Vergleich zu Männern häufiger soziale Quellen, wie die Erziehung, Beziehungen und Altruismus, aber auch Religion angaben, Männer im Vergleich zu Frauen hingegen häufiger Spiritualität und Selbstverbesserung (Selfimprovement) angaben.

Ein direkter Schluss dahingehend, welche Sinnquellen für Menschen mit atheistischer Weltanschauung zentral sind, ist mit Hilfe dieser Ergebnisse nicht möglich. Hier ist auf die Studie von Schnell und Keenan (2013) zu verweisen, in der Atheistinnen und Atheisten berichteten, vor allem Sinn aus Selbstkenntnis, Freiheit, Wissen, Individualismus und Wellness zu gewinnen. Es gab jedoch auch große Unterschiede innerhalb der Stichprobe. Sowohl Schnell und Keenan als auch die hier vorgestellte Studie von Nelson, Abeyta und Routledge fanden ein niedrigeres Sinnerleben bei atheistischen als bei theistischen Personen. Dass bei Nelson und Kollegen atheistische Personen im Vergleich zu theistischen Personen auch ein reduziertes Bedürfnis nach Lebenssinn angaben, ist wohl der Grund dafür, dass sie häufiger kein Vorhandensein eines Sinns im Leben angaben und somit auch in der offenen Frage keine Sinnquellen benannten.

Zusammengefasst von Theresa Lampersberger

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