Die Bedeutung von Lebenssinn in der Psychotherapie: Eine Perspektive von erfahrenen Psychotherapeuten

Hill, C., Kanazawa, Y., Know, S., Schauerman, I., Loureiro, D., James, D., Carter, I., Kind, S., Razzak, S., Scarff, M. & Moore, J. (2015). Meaning in life in psychotherapy: The perspective of experienced psychotherapists. Psychotherapy Research. (E-Publication ahead of print)

Viele Menschen sind auf der Suche nach einem Lebenssinn und stellen sich Fragen wie „Wofür lebe ich eigentlich?“ oder „Wie sinnvoll ist das, was ich tue?“. Es wurde vielfach empirisch bestätigt, dass das Erleben von Sinn für ein erfülltes Dasein essenziell ist und Menschen etwas benötigen, wofür es sich zu leben lohnt. Sehr häufig ist der Mangel an Sinnerleben ein Auslöser für psychische Krankheiten und ein Grund sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen.

Existentieller Ansatz Die existentielle Psychotherapie geht davon aus, dass ein als sinnlos empfundenes Leben der wesentliche Grund dafür ist, dass der Mensch körperlich oder psychisch krank wird. TherapeutInnen unterstützen die KlientInnen auf verschiedene Arten und Weisen bei der Sinnsuche und der Beseitigung von Blockaden bzw. Hindernissen, die einem sinnerfüllten Leben entgegenwirken.

Eine Studie von Hill et.al. hat die Bedeutung von Lebenssinn in der Psychotherapie genauer untersucht. Hierbei wurden 13 erfahrene Psychotherapeuten mit eigener Praxis in den USA interviewt. Gemäß der Selbsteinschätzung der Teilnehmer orientieren sich diese bei ihrer Arbeit größtenteils am existentiellen Ansatz.

Die Probanden wurden in einem ersten Schritt über ihr persönliches Sinnerleben, welches sie aus der Arbeit als Psychotherapeut ziehen, befragt. Des Weiteren wurden sie aufgefordert über zwei Klienten, die sie in naher Vergangenheit betreut hatten oder momentan behandelten, zu berichten. Einer dieser Klienten soll sich mit einem expliziten Anliegen im Bezug auf Lebenssinn an den Psychotherapeuten gewandt haben (expliziter Klient). Der andere soll wegen eines Problems, welches nur indirekt die Sinnsuche impliziert, Hilfe gesucht haben (impliziter Klient).

Die so gewonnenen Daten wurden im Anschluss an die Erhebung ausgewertet und können folgendermaßen zusammengefasst werden. Demnach erleben Psychotherapeuten ihre Arbeit als sehr erfüllend, da sie ihnen persönliches, intellektuelles und emotionales Wachstum ermögliche. Darüber hinaus empfänden sie die Vorstellung anderen zu helfen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen als sehr bereichernd. Ein Proband äußerte sich in diesem Zusammenhang beispielsweise wie folgt: „It gives me meaning, if I can help alleviate their suffering in some way, help them see their lives differently or from a different perspective, help them have more love and compassion for themselves, and see themselves as more than their struggles“

Ein Großteil der Teilnehmer äußerte, dass Sinnerleben die Essenz der Menschlichkeit sei und mit allen Problemen ihrer Klienten in gewisser Weise zusammenhänge. Laut den Psychotherapeuten wiesen alle Klienten psychologischen Distress (negativer Stress) auf und waren auf der Suche nach Sinn. Klienten mit expliziten Gedanken über ihren Lebenssinn wiesen öfter gesundheitliche und zwischenmenschliche Probleme auf. Daher lässt sich vermuten, dass diese Herausforderungen häufig die Beschäftigung mit dem eigenen Sinn im Leben auslösen. Mit eben genannten Klienten sei es einfacher über ihr Sinnerleben zu sprechen, mögliche Sinnquellen zu explorieren und Sinnfragen zu beantworten. Bei impliziten Klienten würden oft andere Probleme im Vordergrund stehen. Nach der erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen wären jene allerdings genauso offen und motiviert über ihren Lebenssinn nachzudenken. Die Psychotherapeuten nannten hierbei verschiedene Verfahren, die sie, abgestimmt auf den Klienten, im Bezug auf das Sinnerleben erfolgreich anwandten.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Sinnerleben sowohl für Psychotherapeuten als auch Klienten in der Psychotherapie von Bedeutung ist. In Zukunft sollten Psychotherapeuten gezielte Trainings über die Arbeit und Beschäftigung mit Sinnfragen in Therapie erhalten und die Klienten dadurch vermehrt stärken bzw. unterstützen. Denn wie oben bereits genannt, unterliegt die Suche nach Sinn sehr häufig psychischen Krankheiten und ein wiedergewonnenes Gefühl von Sinnhaftigkeit kann den Genesungsprozess sehr begünstigen.

Zusammengefasst von Lena Seitzer

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