Soziale Verbundenheit als Quelle und Konsequenz von Sinnerfüllung

Stavrova, O., & Luhmann, M. (in press). Social connectedness as a source and consequence of meaning in life. The Journal of Positive Psychology.

In diesem Forschungsprojekt wurden mögliche Effekte von Lebenssinn auf soziale Verbundenheiten und umgekehrt untersucht. Die sozialen Verbundenheiten werden in die drei Formen der intimen (Partner oder Ehepartner), relationalen (Familie und Freunde) und kollektiven (soziale Gruppen) Verbundenheit unterschieden (Cacioppo & Cacioppo, 2012; Hawkley, Browne, & Cacioppo, 2005). Es wurden zwei Studien durchgeführt. In der ersten Studie wurden Selbstbericht-Daten von zwei Zeitpunkten mit Abstand von zehn Jahren der längsschnittlichen Midlife in the United States Studie (MIDUS; Ryff et al., 2012) entnommen. Sinnerfüllung wurde zehn Jahre nach Berichten der Personen über ihre sozialen Verbundenheiten gemessen. Während im Abstand von zehn Jahren Sinnerfüllung alle Formen der sozialen Verbundenheit verstärkt, führt nur kollektive Verbundenheit zu einer höher berichteten Sinnerfüllung.

In der zweiten Studie der Forscherinnen wurden aktive Veränderungen im sozialen Umfeld aus Daten vom British Household Panel Survey (BHPS; Taylor, Brice, Buck, & Prentice-Lane, 2009) entnommen. Die Veränderungen im kollektiven Bereich wurden mit der Anzahl der Mitgliedschaften in Freiwilligenorganisationen zwischen zweit Zeitpunkten mit Abstand von zwei Jahren, im intimen Bereich durch Veränderungen im Ehe-Status zwischen zwei Zeitpunkten mit Abstand von sieben Jahren gemessen. Im kollektiven Bereich zeigte sich bei höherer Sinnerfüllung zwei Jahre später eine höhere Steigerung der Anzahl der Mitgliedschaften. Im intimen Bereich zeigte sich bei höherer Sinnerfüllung sieben Jahre später, dass eher geheiratet wurde. Die Scheidungsrate war bei Personen mit höherer Sinnerfüllung geringer, allerdings nur, wenn diese mit der Ehe zufrieden waren.

Zusammengefasst konnte also festgestellt werden, dass Sinnerfüllung alle Formen der sozialen Verbundenheiten verstärkt, während umgekehrt nur kollektive Verbundenheit die Sinnerfüllung erhöht und damit eine bidirektionale Beziehung zur Sinnerfüllung aufweist.

Soziale Verbundenheit ist ein Faktor, der maßgeblich zur Lebensqualität beitragen kann. Sie wird sogar von manchen Menschen als Teil des Lebenssinns selbst wahrgenommen. So könnte beispielsweise intime Verbundenheit der Sinnquelle „Liebe“ (beschrieben als Romantik und Intimität) oder relationale Verbundenheit der Sinnquelle „Gemeinschaft“ (beschrieben als menschliche Nähe und Freundschaft) zugeordnet werden (Schnell & Becker, 2007).

Wie in der oben dargestellten Studie gezeigt wurde, führt höhere Sinnerfüllung nur bei glücklicher Ehe zu einer geringeren Scheidungsrate. Wichtig ist, dass nicht an eine intime Verbundenheit zu einem (Ehe-)Partner festgehalten wird, die gar nicht mehr existiert. Ein Gespräch über eine mögliche Trennung/Scheidung kann eine Option darstellen, die, mit dem nötigen Respekt und der entsprechenden Rücksicht auf den Partner durchgeführt, zu einer gemeinsamen Erkenntnis führen kann, dass vielleicht beide Partner für die Voraussetzungen einer intimen Verbundenheit nicht mehr zueinander passen.

Auch die kollektive Verbundenheit kann, wie man u. A. an der bidirektionalen Beziehung zur Sinnerfüllung erkennt, einen wichtigen Teil im Leben darstellen. Auch wenn manche Menschen von sich behaupten, dass ihnen andere Mitmenschen und soziale Kontakte vollkommen egal wären, ist fraglich, ob gerade dieses subjektive Gefühl nicht bloß Einbildung ist. So kann es z. B. im Bereich der Freiwilligenarbeit allemal ein Versuch wert sein, sich über die sehr breitgefächerten Möglichkeiten des Mitwirkens unverbindlich zu informieren.

Zusammengefasst von Markus Georgi

Quellen:

Cacioppo, J. T., & Cacioppo, S. (2012). The phenotype of loneliness. European Journal of Developmental Psychology, 9, 446-452. doi:10.1080/17405629.2012.690510

Hawkley, L. C., Browne, M. W., & Cacioppo, J. T. (2005). How can I connect with thee? Let me count the ways. Psychological Science, 16, 798-804. doi:10.1111/j.1467-9280.2005.01617.x

Ryff, C., Almeida, D. M., Ayanian, J. S., Carr, D. S., Cleary, P. D., Coe, C., … Williams, D. (2012). National Source of Midlife Development in the United States (MIDUS II), 2004-2006. ICPSR04652-v6. Ann Arbor, MI: Inter-university Consortium for Political and Social Research [distributor], 2012-04-18. doi:10.3886/ICPSR04652-v6

Schnell, T., & Becker, P. (2007). Der Fragebogen zu Lebensbedeutungen und Lebenssinn (LeBe). Göttingen: Hogrefe.

Taylor, M. F., Brice, J., Buck, N., & Prentice-Lane, E. (2009). British Household Panel Survey User Manual Volume A: Introduction, technical report and appendices. Colchester, England: University of Essex.

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