Die Sinn-als-Information-Theorie

Heintzelman, S. J. & King, L. A. (2014). (The Feeling of) Meaning-as-Information. Personality and Social Psychology Review, 18(2), 153-167.

Das Faktum, dass Menschen Sinn erleben können, sagt uns nicht, wozu ein solches Erleben dient. Geht es um mehr, als dass sich Sinn gut anfühlt? Die Autoren vermuten, das Empfinden von Sinn habe einen informativen Wert für den Erlebenden. Die Fähigkeit ermögliche einen Vorteil bei der Anpassung an die Umwelt. Das Gefühl, dass die Dinge, die von statten gehen für uns Sinn, unter Umständen auch keinen Sinn ergeben, sagt uns, in welchem Verhältnis wir zur Umwelt stehen. Befinden wir uns in einem Status des Verstehens und der erfolgreichen Orientierung, oder im Status des Ungewissen, des nicht Vorhersehbaren? Das Streben nach Sinn brächte den Vorteil, dass der Mensch versucht, die Welt besser zu strukturieren und zu durchschauen. Denn es ist für unser Leben von Vorteil, Regelmäßigkeiten und Muster zu kennen und Vorgänge in der Welt zu antizipieren. Sinnerleben sei deshalb nicht bloß um seiner selbst willen wichtig, sondern weil es unsere geistigen Prozesse in Richtung Abstimmung auf die Umwelt beeinflusst.

Die Autoren nennen ihre Idee den Sinn-als-Information-Ansatz. Dieser Ansatz ist eng verwandt mit der Gefühl-als-Information-Theorie. Denn die Vorstellung, dass Erleben von Sinn, oder das Fehlen von Sinn informativ für uns ist, beruht auf dem älteren Ansatz, der schon Emotionen als Informationsquellen beschreibt.

Gefühle-als-Information-Theorie Die Theorie besagt, dass für Menschen Gefühle eine Art von Information darstellen. Sie geben uns Auskunft über unsere Situation und unsere Beziehung zur Umwelt. Gefühle leiten uns sogar an, in dem Sinne, dass sie unwillkürlich unsere Denkprozesse steuern. Dabei bewirken sie, dass wir uns orientieren und uns in der Umwelt zurechtzufinden (Schwarz, 2012). Gefühle in ihrer Rolle als Informanten ermöglichen uns somit eine gute Anpassung.

Gefühle und ihr Anpassungswert

Selbstverständlich möchten wir uns gut fühlen, weil es für uns in erster Linie einfach angenehm ist. Andererseits sind wir bestrebt negative Gefühle abzuwenden, weil wir sie schlicht nicht mögen. Positive Emotionen wären demnach um ihrer selbst willen erstrebenswert, negative Emotionen um ihrer selbst willen vermeidenswert. Doch diese Rolle von Emotionen und Stimmungen ist manchen Wissenschaftlern zu eng gefasst. Deshalb blickt die erwähnte Gefühl-als-Information-Theorie aus einer anderen Perspektive auf unsere Gefühlswelt. Sie möchte eine Antwort auf die Frage sein, wozu Gefühle schlussendlich dienen, welchen Zweck sie erfüllen. So argumentiert die Theorie, dass angenehme Gefühle nicht nur unserem Amüsement dienen. Gefühle im Allgemeinen werden als Informanten betrachtet, die unsere Ausrichtung in der Umwelt maßgeblich steuern. Dies geschieht automatisch, indem positive Emotionen Sicherheit signalisieren, während negative Emotionen auf Probleme in der Passung auf die Umwelt aufmerksam machen. Die Gefühle leiten dann die passenden Denkprozesse ein. So kann sich der Erlebende besser auf seine Umgebung einstellen. Gefühle-als-Informationen steuern also die Beziehung zwischen der Person und der Umwelt, leiten den Menschen in seinem Wahrnehmen und Denken geradezu an.

Sinnempfinden und sein Anpassungswert

Für unser Denken sind unsere Stimmungen und Emotionen also wie Informationen. Die Autoren argumentieren, dass das Selbe auch für das Empfinden von Sinn gelte. Sinn wurde von verschiedenen Gelehrten schon auf unterschiedlichste Weisen definiert. Ein Merkmal, das dabei oft geteilt wird, ist jenes der Kohärenz. Das eigene Leben als kohärent zu empfinden bedeutet, dass aufgrund verlässlicher Muster und Regelmäßigkeiten ein Charakter des Verstehens besteht. Dieser Kohärenzsinn ist es, auf den sich die Autoren in ihren theoretischen Erläuterungen beziehen.

Ähnlich der Funktion von Gefühlen würde auch das Sinnempfinden dem Menschen Informationen liefern, die ihm behilflich sind. Dies, indem ebenfalls die für die Situation passenden Denkprozesse eingeleitet werden. Es ist das Empfinden von Sinn, das uns signalisiert, dass die Welt einer Ordnung entspricht, die wir kennen und erwarten (Kohärenz). Ergänzend dazu würde uns ein fehlendes Sinnerleben anleiten, verstärkt nach vertrauenswürdigen Abläufen und Mustern zu suchen. Es wäre eine Phase, in der wir so zu sagen die Augen besonders offen halten, um Regelmäßigkeiten und Muster auszumachen. Mangelndes Sinnerleben möchte uns also zu Verständnis und Orientierung führen.

Ein praktisches Beispiel

Neulich in der Küche. Etwas Unerwartetes hatte meine Aufmerksamkeit in den Bann gezogen. Wie aus dem Nichts spritzte mir siedendes Wasser aus einem Kochtopf entgegen, als ich den Deckel des Topfes anhob. Dabei hatte ich durch den durchsichtigen Deckel aus Glas eindeutig nicht-wallendes, bloß leicht dampfendes Wasser gesehen. „Das macht doch keinen Sinn“, ging mir durch den Kopf, während ich mich mit forschendem, aber auch erschrockenem Blick des Mysteriums annahm. „Aaaahh! Ergibt doch Sinn“, meinte ich nach einer Minute des Experimentierens erleichtert zu mir selbst, um mir mein nun verbessertes Verständnis der Physik zu bestätigen. Das Phänomen des Siedeverzugs war es, das in meinen Erfahrungsschatz eingeordnet werden wollte. Sollte mich dieses Erlebnis zukünftig vor dem Verbrühen meiner Haut schützen, habe ich dies wohl dem im Artikel beschriebenen Mechanismus zu verdanken. Als kurzfristig Unkenntnis bezüglich der Vorgänge gegeben war, erlebte ich eine automatische Fokussierung meiner Wahrnehmung und meines Denkens, gespeist von einem Drang, verstehen zu wollen.

Referenzen

Schwarz, N. (2012). Feelings-as-Information Theory. In P. A. M. Van Lange, A. W. Kruglanski & E. T. Higgins (Hrsg.) The Handbook of Theories of Social Psychology (S. 289-308). Thousand Oaks: SAGE Publications.

 

Zusammengefasst von Daniel Purtscheller

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