Menschen aus ärmeren Nationen erleben mehr Lebenssinn!

Diener, E. & Oishi, S. (2013). Residents of Poor Nations Have a Greater Sense of Meaning in Life Than Residents of Wealthy Nations [Electronic Version]. Psychological Science, 9, 1-10.

So lautet das Resümee der Psychologen Shigehiro Oishi und Ed Diener, nachdem sie die Qualität des Lebenssinns bei Menschen aus 132 verschiedenen Nationen untersucht haben. Genauer gesagt haben Personen aus ärmeren Ländern einen höheren Lebenssinn als jene aus wohlhabenderen Ländern.

Was war der Ausgangspunkt der Untersuchung?

Menschen aus reicheren Nationen berichten über mehr Lebenszufriedenheit, eine Tatsache, die bereits bekannt ist. In den USA haben mehrere Untersuchungen ergeben, dass die Lebenszufriedenheit gleichzeitig stark mit einem hohen Lebenssinn zusammenhängt. Ob das in anderen Nationen genauso ist, wurde bisher nicht untersucht. Nun könnte man die Tatsache, dass die USA verhältnismäßig wohlhabend sind, als Ursache für einen stärker ausgeprägten Lebenssinn annehmen. Doch ist Wohlstand wirklich ein wichtiger Faktor für den Sinn im Leben und wie sieht es in anderen Kulturen/Nationen aus?

Diese Frage stellten sich Oishi und Diener. Sie vertraten dabei die Annahme, dass Religiosität ein wichtiger Faktor ist. Diese wiederum habe in ärmeren Ländern eine größere Bedeutung und würde den Menschen dort als konstante Sinnquelle dienen. Währenddessen nutzen Bewohner reicherer Gesellschaften andere Quellen, wie Identität und Selbsterfahrung. Diese seien aber viel instabiler als die Religion, was möglicherweise zu einem geringeren Lebenssinn führen kann.

Das Hauptaugenmerk der Studie lag somit auf der Frage, welche Rollen Wohlstand und Religion bei armen und reichen Nationen spielen, wenn es um den Lebenssinn geht.

Ergebnisse

Die Untersuchung umfasste über 140.000 Menschen aus über 130 Nationen. Es wurden sowohl die Lebenszufriedenheit als auch der Lebenssinn erhoben. Zusätzlich wurde die Suizidrate eines jeden Landes in die Berechnungen miteinbezogen. Einer der häufigsten Gründe für Selbsttötung weltweit ist die wahrgenommene Sinnlosigkeit des eigenen Daseins. Somit ist die Suizidrate ein wichtiger Indikator, wenn man wissen möchte, wie hoch die Sinnerfüllung der Bewohner einer Nation ist (Eine niedrige Suizidrate geht dabei mit einem höheren Lebenssinn einher).

Ein Hauptergebnis war, dass der Lebenssinn umso höher ausfiel, je ärmer die Nation war. So liegen wohlhabende Industrienationen wie etwa Finnland, Dänemark und auch Österreich deutlich unter Dritte-Welt Ländern wie etwa Äthiopien oder Sierra Leone. Dieses Ergebnis ist sehr überraschend, wo man doch herausgefunden hat, dass reichere Nationen mehr Lebensqualität erleben und eine hohe Lebensqualität doch auch stark zu einem hohen Lebenssinn beiträgt.

Außerdem überraschte das Ergebnis, dass die Suizidrate mit dem Wohlstand einer Nation ansteigt. Weitere Untersuchungen bestätigten, dass die Religiosität in ärmeren Nationen der Hauptgrund für den höheren Lebenssinn ist. Umgekehrt sehen die Forscher die höhere Schulbildung bei reicheren Ländern als Grund für weniger Lebenssinn. Dabei zeigten die Ergebnisse, dass eine höhere Bildung zu kritischerem Denken und dadurch zu weniger Sinnerleben führe.

Zusammenfassend sagt uns die Studie, dass Wohlstand uns zwar zufriedener macht, uns aber nicht als Sinnquelle zur Verfügung steht. Jedoch muss ergänzend erwähnt werden, dass die Religion dabei einen vermittelnden Faktor einnimmt. So wissen wir, dass mit sinkendem Wohlstand die Religion einen höheren Stellenwert erreicht und so zu einer starken Sinnquelle wird. Dementsprechend erleben innerhalb der reicheren Nationen religiöse Menschen auch mehr Lebenssinn als nicht-religiöse.

Wen diese Studie zum Nachdenken angeregt hat, dem wäre Erich Fromms Werk „Haben und Sein“ zu empfehlen, in dem der Autor sich mit der Diskrepanz zischen dem Streben nach Besitz und der Selbstverwirklichung auseinandersetzt.

Von Thomas Egger

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