Nostalgie als Quelle des Sinnerlebens

Routledge, C., Arndt, J., Wildschut, T., Sedikides, C., Hart, C. M., Juhl, J., Vingerhoets, Ad J. J. M. & Schlotz, W. (2011). The Past Makes the Present Meaningful: Nostalgia as an Existential Resource. Journal of Personality and Social Psychology, 101 (3), 638-652.

Wie die Erinnerungen an unsere persönliche Vergangenheit „Sinn machen“

Was bedeutet es für Sie über Ihre Vergangenheit nachdenken zu können? Wie wäre es wohl, wenn Sie keine persönliche Geschichte hätten, die Ihnen Ihre soziale Eingebundenheit in Erinnerung hielte? Keine Symbole, die Ihnen Ihre vergangenen Erlebnissen nahe brächten?

Nun, die Idee der hier beschriebenen Studie war, das Sinnerleben unter dem Aspekt unserer Fähigkeit zum Denken über vergangene Erlebnisse zu untersuchen. Nostalgische Erinnerungen an unsere Vergangenheit könnten eine Quelle für das Empfinden von Sinn sein. Wird uns unsere existentielle Vergänglichkeit bewusst, blicken wir gerne auf unsere hinterlassenen Spuren zurück.War man früher der Meinung, das Schwelgen in nostalgischen Erinnerungen hätte einen krankhaften Charakter, so betrachtet man dieses heute unter einer anderen Perspektive. Denn das sehnsüchtige Erinnern an vergangene Lebensmomente dürfte positiv für das psychische Wohlbefinden sein. Bestehende Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass

das Fühlen von Nostalgie eine soziale Emotion ist und, dass die sozialen Beziehungen eines Menschen wichtig für das Erleben von Sinn sind. Deshalb kommt dem Glauben ein Teil eines größeren sowie bedeutungsvolleren Ganzen zu sein eine wichtige Rolle zur psychischen Entlastung zu. Die aus den persönlich wertvollen Erinnerungen entstehende Nostalgie könnte ein Weg sein, dem Leben einen Sinn zu verleihen. Auch wenn das Erleben von Nostalgie auf das Selbst bezogen ist, sind die bedeutsamen Erinnerungen meist Erlebnisse mit sozialem Charakter (Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, etc.). Ist es die Wahrnehmung sozialer Verbundenheit, die das Nostalgieerleben so bedeutend für uns macht?

Der Grundidee der Forscher bestand nun darin, dass nostalgische Gedanken das Leben mit Sinn erfüllen könnten. Um ihre Annahme zu testen konzipierten sie eine Reihe von Untersuchungen. Dabei beeinflussten sie das Nostalgieerleben ihrer ProbandInnen, um dessen Effekte untersuchen zu können. Eine der verwendeten Methoden macht sich die Wirkung des Hörens und Erinnerns von Musikstücken zunutze. Denn häufig ist Musik ein Träger persönlicher Erinnerungen und kann nostalgische Momente erzeugen. Die ProbandInnen, die daraufhin angaben sich nostalgisch zu fühlen, empfanden sich als geliebt und meinten, dass das Leben wert wäre gelebt zu werden. Die empfundene soziale Verbundenheit (geliebt zu werden) führte zum Erleben von Sinn.

Nun wandten sich die Forscher der Frage zu, ob Nostalgie hilft mit Situationen umzugehen, die den Lebenssinn bedrohen. So konfrontierten sie eine Gruppe von ProbandInnen mit einem Essay dessen Kerngedanke von der Sinnlosigkeit, der Unwichtigkeit der menschlichen Existenz handelt. Während dieses Essay den Sinn des Lebens infrage stellte, bekam eine weitere Gruppe ein Essay ohne bedrohlichen Inhalt zu lesen. Es waren nun die ProbandInnen der bedrohlichen Bedingung, die angaben sich nostalgisch zu fühlen. Dies bestätigte die Vermutung der Forscher: Wird die Vorstellung von der Sinnhaftigkeit des Lebens gefährdet, wenden sich Menschen der Nostalgie zu.

Wurden die Teilnehmer vor dem Lesen der Essays in nostalgische Stimmung versetzt, so werteten sie das Essay und dessen Autor nicht so stark ab, wie es die Teilnehmer taten, die sich in gewöhnlicher Stimmung befanden. Es scheint, als wäre ihre abwertende Haltung eine Abwehr der Bedrohung, indem die Glaubwürdigkeit der Quelle infrage gestellt wurde. Die „nostalgischen“ ProbandInnen scheinen aufgrund ihrer wertvollen Erinnerungen weniger defensiv reagieren zu müssen, um die Infragestellung des Lebenssinns durch das Essay entschärfen zu können.

Die beiden letzten Untersuchungen, die hier nicht beschrieben wurden, deuten sogar darauf hin, dass nostalgische Erinnerungen einen therapeutischen Zweck erfüllen können. So können sie vorteilhaft für das Wohlbefinden sein und positiv auf den Umgang mit stressigen Situationen wirken.

Ach, die guten alten Zeiten“ – Wem kommt dieser Gedanke nicht von Zeit zu Zeit in den Sinn?

Zusammengefasst von Daniel Purtscheller

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