Sinnerleben und Gesundheit – Eine Übersicht

Roepke, A. M., Jayawickreme, E., & Riffle, O. M. (2014). Meaning and health: A systematic review. Applied Research in Quality of Life, 9(4), 1055-1079.

Der 2014 von Roepke, Jayawickreme und Riffle verfasste Artikel ist eine Zusammenfassung der bisherigen Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Sinnerleben und Gesundheit. In der insgesamt 70 Studien enthaltenden Übersichtsarbeit zeichnet sich der Trend ab, dass Sinnerleben mit einer höheren Gesundheit einhergeht.

Einer der Gründe hierfür ist der Zusammenhang zwischen Sinnerleben und gesundheitsförderlichem Verhalten. Zum Beispiel investierten ältere Erwachsene mit hoher Sinnerfüllung mehr Zeit in gesundheitsförderliches Verhalten wie Training, nährstoffreiche Ernährung, Schlaf, Entspannung, Gewichtskontrolle, Unfallprävention und regelmäßige Gesundheitschecks. Andererseits wird gesundheitsgefährdendes Verhalten seltener ausgeführt. Zum Beispiel war bei Suchtkranken mit hoher Sinnerfüllung die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls sechs Monate nach einer Behandlung geringer und es wurde weniger Kokain und Alkohol konsumiert.

Es gibt jedoch auch eine direktere Beziehung von Sinnerleben auf Gesundheit. Dabei wird zwischen der subjektiv-wahrgenommenen und der objektiv-körperlichen Gesundheit unterschieden.  

Einigen Studien zufolge beschreiben Menschen mit mehr Sinn im Leben ihre persönlich wahrgenommene Gesundheit positiver. In einer Gruppe von Frauen mit Polioerkrankung zum Beispiel, nahmen sinnerfülltere Frauen die Abnahme der eigenen Gesundheit als weniger einschneidend wahr. Eine andere Studie zeigte, dass sinnerfülltere Krebspatientinnen sich psychosozial besser anpassen konnten. Sinnerleben scheint also ein wichtiger Faktor zu sein, wenn es um die Lebensqualität im Bezug auf eine durch Krankheiten beeinträchtigte Gesundheit geht.

Mehr Sinn im Leben scheint aber auch mit objektiven Kriterien der Gesundheit zusammenzuhängen. Beispielsweise wiesen Opfer ihres ersten Herzinfarktes ein geringeres Risiko auf einen weiteren Infarkt innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erleiden, Patienten einer Herztransplantation hatten höhere Überlebensraten und Patienten einer Knieoperation einen verbesserten Genesungsprozess.

Über möglicherweise dahinterliegende biologische Mechanismen herrscht noch keine Klarheit. Vermutet wird allerdings ein positiver Einfluss von Sinnerleben auf diverse Aspekte der physiologischen Stressregulation und des Immunsystems. Zum Beispiel reagierten sinnerfülltere Menschen mit geringerer Aktivierung des autonomen Nervensystems auf ein stressauslösendes Video. Außerdem konnte wiederholt eine Beziehung zwischen Sinnerleben und einer höheren Anzahl von Immunzellen festgestellt werden.

„Benefit-Finding“ (BF) und posttraumatisches Wachstum (PTW), welche zwei besondere Formen des Sinnerlebens darstellen, wurden ebenfalls auf Zusammenhänge mit Gesundheit untersucht. Bei „Benefit-Finding“ handelt es sich um die Suche nach etwas Positivem oder Vorteilen in einer vorerst negativ erscheinenden Situation. Beim posttraumatischen Wachstum kommt es nach schlimmen Ereignissen im Leben eines Menschen zur Wahrnehmung positiver Veränderungen oder persönlicher Entwicklung.

Ein Studienergebnis deutet darauf hin, dass das bloße Suchen nach Sinn keine Verbesserung der persönlich wahrgenommenen Gesundheit erwirken konnte. Nur, wenn die Sinnsuche erfolgreich ist und zu Sinnerleben führt, nimmt man die eigene Gesundheit positiver wahr.
Höhere Werte in Posttraumatischem Wachstum konnten höhere Überlebensraten bei Krebs und HIV-Patienten, niedrigere Kortisolwerte, verbesserte Immunfunktion und weniger Nachsorgetermine bei Krebspatienten vorhersagen.

Die bisher genannten vielversprechenden Ergebnisse sind jedoch einigen Einschränkungen unterworfen. Trotz der Überzahl an positiven Befunden gibt es auch immer wieder Studien, welche keinen oder sogar einen negativen Zusammenhang zwischen Sinnerleben und Gesundheit finden. Außerdem handelt es sich bei den meisten Studien um Querschnitt- oder Längsschnittstudien, welche lediglich Korrelationen berechnen. Das bedeutet, dass keine Aussage über die Richtung oder Ursächlichkeit der Zusammenhänge zwischen Sinnerleben und Gesundheit getroffen werden können. Zum Beispiel kann es sein, dass das erhöhte Sinnerleben bei Krebspatientinnen zu einer besseren psychosozialen Anpassung führt. Andererseits kann es kann aber genauso sein, dass die bessere psychosoziale Anpassung zu einem erhöhten Sinnerleben führt.

Mein Fazit:
Nichtsdestotrotz sind Zusammenhänge von Sinnerleben und Gesundheit kaum von der Hand zu weisen. Besonders interessant finde ich, dass sich psychische Funktionen wie Sinnerleben auf konkret biologische Funktionen wie das Immunsystem auswirken. Dadurch entsteht ein Gesundheitsbegriff, welcher sich nicht nur auf Körperliches reduzieren lässt, sondern auch psychische Einflussfaktoren integriert. 

Zusammengefasst von Manu Besthorn

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