Nötigt sinnerfüllte Arbeit zu Selbstaufopferung?

Dempsey, S. E., & Sanders, M. L. (2010). Meaningful work?: Nonprofit marketization and work/life imbalance in popular autobiographies of social entrepreneurship. Organization, 17(4), 437–459.

„Work-Life-Balance“ ist zu einem häufig genutzten Schlagwort geworden. Gerade in unserer modernen Gesellschaft gestaltet sich die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben oft schwierig. Stress und Burnout sind unter anderem die Folgen zeitgenössischer Arbeitsformen und sozio-ökonomischer Unsicherheiten.

Doch auch im sozialen Non-Profit Bereich werden die Zeiten härter. Das soziale Unternehmertum – also Unternehmen, die sich zum Wohl der Gesellschaft einsetzen anstatt für den eigenen Profit zu wirtschaften – sind immer öfter gezwungen die Mechanismen der Marktwirtschaft zu imitieren um überhaupt längerfristig bestehen zu können.

Die höhere Arbeits- und Lebenszufriedenheit, die eine sinnerfüllte Tätigkeit in diesen Bereichen bringt, wird so immer öfter auch begleitet von Überarbeitung und einem inneren Zwang immer noch mehr tun zu wollen und das bei einem viel zu geringen oder gar keinem Lohn, der kaum das eigene Überleben sichert.

Unternehmerische Entscheidungen beruhen inzwischen auch im Non-Profit-Bereich auf dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Fairness, Gerechtigkeit, Gleichheit und demokratische Verantwortung treten immer mehr in den Hintergrund.

Self-authorship bedeutet das eigene Leben selbst zu bestimmen.

Von Führungskräften wird nach Gay’s (1996) Konzept vom „unternehmerischen Subjekt“ viel erwartet. So sollen sie ihre Organisationen durch Selbstverbesserung und Selbstregulation aufwerten. Nadeson und Threthewey (2000) bemerken, dass durch die Positionierung eines Individuums als Autor seiner Selbst („Self-authorship“) ökonomische und politische Ungleichheiten legitimiert werden. In einem solchen Rahmen werden Armut, Hunger und andere Ungleichheiten dem persönlichen Versagen zugeschrieben – verursacht durch zu wenig Eigeninitiative.

Der vorliegende Artikel vergleicht die Autobiografien von drei herausragenden Personen, die jeweils andere US amerikanische Non-Profit-Organisationen gegründet haben.

  1. John Wood ist Gründer von „Room to Read“ und hat seinen hochbezahlten Arbeitsplatz bei Microsoft aufgegeben um Büchereien in Entwicklungsländern aufzubauen.
  2. Greg Mortenson gründete das „Central Asian Institute“ nach einem erfolglosen Versuch den K2 in Pakistan zu besteigen. Die Großmütigkeit der Dorfbewohner, die ihm medizinische Unterstützung anboten, rührte Greg Mortenson so sehr, dass er beschloss in den ländlichen Gebieten dort Schulen zu bauen.
  3. Wendy Kopp ist Gründerin von „Teach for America“, einer Organisation die die besten College-Absolventen engagiert um 2-Jahre lang in den ärmsten und ländlichsten Schulen zu unterrichten.
Jack Welch, Vorsitzender und CEO bei General Electric: „My kids were raised, largely alone, by their mother Carolyn […] There’s lip service to work-life balance and there’s reality […] if your boss is doing his job right […] he is making your job so exciting that your personal life becomes a less compelling draw.

Ihnen ist gemeinsam, dass sie alle drei bereit waren sich für ihr Ziel selbst aufzuopfern bis zu einem Punkt, an dem ihre Gesundheit, ihre Familien und andere Bereiche ihres persönlichen Lebens darunter leiden mussten. Problematisch ist vor Allem, dass Aufgaben, die dem größeren Ganzen dienen sollen oder in denen Personen glauben einer inneren Bestimmung folgen zu müssen, oft wie selbstverständlich mit Selbstaufopferung und unbezahlter Arbeit verknüpft werden.

Alle drei Unternehmer wurden angespornt durch:

  • Ein inneres Verlangen „nach etwas mehr“ im Leben, das sie davon abhielt, einen typischen Karrierepfad einzuschlagen bzw. dabei zu bleiben. Sie wollten etwas verändern und fühlten sich berufen einer höheren Bestimmung zu dienen.
  • Sie machten ein einschneidendes Erlebnis mit sozialen Problemen, das für sie zu einem lebensverändernden Erlebnis wurde.

Dies ließ sie, die vielen Hindernisse überwinden, die mit dem Aufbau einer Organisation einhergehen. Beispielsweise mussten finanzielle Mittel aufgebracht werden. Eine gute Idee und der Wille allein reichten nicht aus, ein solches Unternehmen zu führen. Hierarchische Strukturen und Management wurden nötig, um die Richtung zu weisen und am Ende hing der Erfolg schließlich auch davon ab, immer mehr wie ein marktwirtschaftlich orientiertes Unternehmen zu agieren. Während John Wood in seiner früheren Tätigkeit bei Microsoft bereits das nötige betriebswirtschaftliche Wissen mitbrachte, waren Greg Mortenson und Wendy Kopp gezwungen sich das Wissen anzueignen.

Obwohl sie für das Überleben der Organisationen notwendig war, erschwerte es die vermehrte Strukturierung der Organisationen den Mitarbeitern ihrer Arbeit nachzugehen. Für zukünftige Angestellte wurde es sogar weniger erstrebenswert diese Tätigkeiten auszuüben. Aber auch die Führungskräfte selbst litten unter ihrer bald sehr unausgeglichenen Work-Life-Balance und Selbstaufopferung in Form von Überstunden, Stress oder finanziellen Risiken und erheblichem Schlafmangel. Die Arbeit war oft nicht bezahlt oder zumindest unterbezahlt und auch die Führungskräfte selbst weigerten sich, Gehaltserhöhungen in Anspruch zu nehmen, selbst wenn sie und ihre Familien das Geld brauchten.

Die Analyse dieser Biografien zeigt die Schattenseiten sinnerfüllter Tätigkeit auf. Auch stellt sich die Frage, ob ein derart engagiertes Vorgehen anderen Menschen als Vorbild dient, wenn der Einsatz einer solchen Selbstlosigkeit bedarf.

Ich persönlich finde es vor Allem schade, dass die „Vermarktwirtschaftlichung“ der Arbeit im Non-Profit-Sektor die Wertorientierung und die Freude an der Tätigkeit so sehr in den Hintergrund drängt. Neben finanzieller Unterstützung von Organisationen die dem Gemeinwohl dienen, finde ich es auch wichtig, ihnen mehr Anerkennung entgegenzubringen. Vielleicht gelingt es den in diesen Bereichen tätigen Menschen dann auch eine angemessene Entlohnung für ihre Leistungen anzunehmen und sich nicht selbst auszubeuten.Ein generelles Umdenken in der Gesellschaft in Richtung „Gemeinwohl Ökonomiescheint in diesem Zusammenhang erstrebenswert zu sein. Im Gegensatz zum aktuellen Gewinnstreben und Konkurrenzdenken könnte unternehmerisches Denken so in Zukunft auch von Gemeinwohlstreben und Kooperation geprägt sein.

Zusammengefasst von Sandra Schmid

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